VGH Hessen verpflichtet Hessen zu umfänglichen Auskünften zum NSU Bericht in Sachen Temme, Gärtner und Ernst, Beschluss vom 20. November 2019 – 8 B 1938/19
Mit dem Beschluss vom 19. August 2019 verurteilte das Verwaltungsgericht Wiesbaden den Hessischen Verfassungsschutz zur Beantwortung von drei Fragen im Zusammenhang mit dem Zwischenbericht zum NSU von 2013 und dem Abschlussbericht zum NSU von 2014. Hinsichtlich zahlreicher weiterer Fragen wies das VG Wiesbaden den Antrag seinerzeit zurück.
Der Antragsteller – der Herausgebe der Tageszeitung „Die Welt“, Stefan Aust – hat gegen diesen Beschluss Beschwerde erhoben. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) gab dieser Beschwerde am 20. November 2019 größtenteils statt und verurteilte nun den Hessischen Verfassungsschutz zur Beantwortung von weiteren sechs Fragen, und zwar:
- Was steht im NSU-Zwischenbericht von 2013 und im NSU-Abschlussbericht 2014 an den Stellen, an denen der Name Andreas Temme genannt ist?
- Wie oft wird Herr Benjamin Gärtner mit Herrn Andreas Temme zusammen genannt?
- Wie oft hat laut den beiden Berichten der damalige Innenminister Bouffier in der Sache Temme interveniert, schriftlich, telefonisch oder persönlich, gegebenenfalls mit welchem Inhalt?
- Was steht im NSU-Zwischenbericht von 2013 und im NSU-Abschlussbericht 2014 an den Stellen, an denen der Name Stephan Ernst genannt ist?
- Wie oft wird Herr Benjamin Gärtner mit Herrn Stephan Ernst zusammen genannt?
- Was steht im NSU-Zwischenbericht von 2013 und im NSU-Abschlussbericht 2014 an den Stellen, an denen der Name Benjamin Gärtner genannt ist??
Damit muss der Hessische Verfassungsschutz wichtige Details aus dem NSU-Zwischenbericht von 2013 und dem NSU-Abschlussbericht von 2014 der Presse gegenüber bekanntgeben.
Der Beschluss ist historisch wie juristisch bedeutend. Der VGH hat das Argument des Landesamtes für Verfassungsschutz nicht akzeptiert, dass der NSU-Bericht als Verschlusssache mit der Einstufung "Nur für den Dienstgebrauch" bzw. sogar "Geheim" eingestuft worden ist. Auch, dass der Bericht zunächst für 120 Jahre, dann nach Einleitung des hiesigen Verfahrens nur noch für 30 Jahre gesperrt worden ist, hat den VGH nicht daran gehindert, Stefan Aust einen Auskunftsanspruch zu den Stellen des Berichts zu geben, an denen die Herren Temme, Gärtner oder Ernst in dem Bericht auftauchen. Das Landesamt habe nicht darlegen können, warum diese Informationen „geheim“ sind. Ferner überwiege das überragende öffentliche Interesse an der Aufklärung der NSU-Morde und die mögliche Verstrickung staatlicher Stellen etwaige entgegenstehe Geheimhaltungsinteressen der öffentlichen Hand sowie der betroffenen Personen. Der VGH wischte alle Gegenargumente des Landesamtes als nicht richtig bzw. nicht überzeugend beiseite.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss vom 20. November 2019
– 8 B 1938/19 –
Leitsatz
1. Die Ausschlussgründe des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 HPresseG sind abschließend, soweit sie nicht an anderer Stelle ausdrücklich gesetzlich geregelt sind, wie dies z.B. für materielle Geheimhaltungsvorschriften vielfach der Fall ist.(Rn.32)
2. Weder § 22 HVSG noch § 30 HVwVfG noch § 2 HSÜG berechtigen das Landesamt für Verfassungsschutz zur Verweigerung einer auf der Grundlage von § 3 HPresseG von der Presse gewünschten Auskunft aus dem NSU-Zwischenbericht 2013 und dem NSU-Abschlussbericht 2014
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 19. August 2019- 2 L 1168/19.WI - teilweise abgeändert.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller über diejenigen Fragen hinaus, zu deren Beantwortung der Antragsgegner bereits durch den angefochtenen Beschluss verpflichtet worden ist, noch folgende Fragen zu beantworten:
2) Was steht im NS-Zwischenbericht von 2013 und im NSU-Abschlussbericht 2014 an den Stellen, an denen der Name A. genannt ist?
3) Wie oft wird Herr B. mit Herrn A. zusammen genannt?
6) Wie oft hat laut den beiden Berichten der damalige Innenminister Bouffier in der Sache A. interveniert, schriftlich, telefonisch oder persönlich, gegebenenfalls mit welchem Inhalt?
9) Was steht im NS-Zwischenbericht von 2013 und im NSU-Abschlussbericht 2014 an den Stellen, an denen der Name C. genannt ist?
10) Wie oft wird Herr B. mit Herrn C. zusammen genannt?
14) Was steht im NS-Zwischenbericht von 2013 und im NSU-Abschlussbericht 2014 an den Stellen, an denen der Name B. genannt ist?
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens haben der Antragsteller zu 7/17 und der Antragsgegner zu 10/17 zu tragen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 15.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
1 Der Antragsteller ist Journalist, Herausgeber der Tageszeitung „Die Welt“ und zusammen mit Herrn L. Herausgeber des Werkes „Heimatschutz, der Staat und die Mordserie des NSU“ aus dem Jahr 2014.
2 Er begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vom Antragsgegner, dem hessischen Verfassungsschutz, die Beantwortung zahlreicher Fragen im Zusammenhang mit dem Zwischenbericht zum NSU von 2013 und dem Abschlussbericht zum NSU von 2014.
3 Mit Beschluss vom 19. August 2019 hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden dem Eilantrag in Bezug auf die Fragen, an wie vielen Stellen in den beiden Berichten die Namen A., C. bzw. B. genannt werden, stattgegeben und den Antrag bezüglich der übrigen Fragen abgelehnt. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts (Bl. 149ff. d. Gerichtsakte [GA]).
4 Dieser Beschluss ist dem Antragsteller am 19. August 2019 zugestellt worden (Bl. 187a d. GA) und am 20. August 2019 (Bl. 189 d. GA) hat er dagegen Beschwerde erhoben und diese am 2. September 2019 begründet (Bl. 199ff. d. GA).
5 Er macht geltend, die Voraussetzungen des presserechtlichen Auskunftsanspruchs nach § 3 Abs. 1 Satz 1 HPresseG lägen auch bezüglich der weiteren von ihm gestellten Fragen vor. Er habe - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - nicht Akteneinsicht, sondern die Beantwortung konkreter und präzise gestellter Fragen begehrt. Außerdem sei das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass seine Fragen sich nicht auf beim Antragsgegner vorhandene Informationen beziehen, sondern die Schaffung neuer Dokumente erforderlich machen. Schließlich seien die in § 3 Abs. 1 Satz 2 HPresseG genannten Gründe, aus denen die Beantwortung presserechtlicher Auskunftsansprüche verweigert werden könnten, abschließend. Seinen Fragen könne der Antragsgegner weder § 23 noch § 22 HVSG und auch nicht § 30 HVwVfG mit Erfolg entgegenhalten. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Beschwerdebegründung (Bl. 222ff. d. GA).
6 Der Antragsteller beantragt - sinngemäß -,
7 den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 19. August 2019 - 2 L 1168/19.WI - abzuändern, soweit er den Antrag des Antragstellers abweist, und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller folgende Fragen zu beantworten:
8 2) Was steht an den gemäß Beschluss vom 19. August 2019 unter Nummer 1) zu nennenden Stellen?
9 3) Wie oft wird Herr B. mit Herrn A. zusammen genannt bzw. in Verbindung gebracht?
10 4) Mit welchen anderen Personen wird Herr A. gemeinsam genannt bzw. in Verbindung genannt - ausgenommen Mitglieder der Familie des Herrn Y.?
11 5) Welche Erkenntnisse zu Herrn A. ergeben sich aus den beiden Berichten?
12 6) Wie oft hat laut den beiden Berichten der damalige Innenminister Bouffier in der Sache A. interveniert, schriftlich, telefonisch oder persönlich, gegebenenfalls mit welchem Inhalt?
13 9) Was steht an den gemäß Beschluss vom 19. August 2019 unter Nummer 8) zu nennenden Stellen?
14 10) Wie oft wird Herr B. mit Herrn C. zusammen genannt bzw. in Verbindung gebracht?
15 11) Mit welchen anderen Personen wird Herr C. zusammen genannt bzw. in Verbindung genannt?
16 12) Welche Erkenntnisse zu Herrn C. ergeben sich aus den beiden Berichten?
17 14) Was steht an den gemäß Beschluss vom 19. August 2019 unter Nummer
19 15) Mit welchen anderen Personen wird Herr B. mit Herrn A. zusammen genannt bzw. in Verbindung gebracht?
20 16) Mit welchen anderen Personen wird Herr B. gemeinsam genannt bzw. in Verbindung gebracht?
21 17) Welche Erkenntnisse zu Herrn B. ergeben sich aus den beiden Berichten?
22 Der Antragsgegner beantragt,
23 die Beschwerde zurückzuweisen.
24 Er verteidigt die angegriffene Entscheidung und macht geltend, der Antragsteller habe schon keinen Anordnungsgrund dargelegt. Zudem fehle es an einem Anordnungsanspruch. § 3 HPresseG gewähre keinen Anspruch auf Akteneinsicht. Soweit in den Fragen die Worte „in Verbindung gebracht“ bzw. „Erkenntnisse“ verwendet würden, begehre der Antragsteller überdies keine Auskunft über Tatsachen, sondern eine Wertung und damit die Schaffung neuer Schriftstücke, was jedoch von § 3 HPresseG nicht umfasst sei. Schließlich stünden den Auskunftsbegehren des Antragstellers sowohl § 23 HVSG als auch § 30 HVwVfG entgegen. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Beschwerdeerwiderung (Bl. 260ff. d. GA).
25 Wegen der (weiteren) Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte (zwei Bände), der sechs vom Antragsgegner zu den Akten gereichten Hefter sowie der Akten der Verfahren 2 L 1169/19.WI, 2 L 1170/19.WI und der Akten des Parallelverfahrens 8 B 725/18, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II.
26 Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 19. August 2019 - 2 L 1168/19.WI - ist teilweise begründet. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses das Eilrechtsschutzgesuch des Antragstellers zu großen Teilen abgelehnt hat, stellt sich unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung, die den Umfang der gerichtlichen Prüfung nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO bestimmt, in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang als unzutreffend dar.
27 Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dies setzt gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO voraus, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch (ein subjekt-öffentliches Recht auf das begehrte Verwaltungshandeln) und einen Anordnungsgrund (die Eilbedürftigkeit) glaubhaft macht. Ist der Antrag - wie hier - auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, sind an Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch erhöhte Anforderungen zu stellen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt dann grundsätzlich nur in Betracht, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und dem Antragsteller ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die auch bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten.
28 Gemessen an diesen Grundsätzen ist die begehrte Vorwegnahme der Hauptsache im Wege der einstweiligen Anordnung auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nach dem Erkenntnisstand des Beschwerdegerichts im Zeitpunkt seiner Entscheidung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gerechtfertigt. Nur insoweit hat der Antragsteller sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Im Übrigen ist hingegen der Erfolg der Hauptsache nicht überwiegend wahrscheinlich, sodass kein Anordnungsanspruch gegeben ist.
29 1. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch auf vollständige Beantwortung der Fragen Nr. 2), 6), 9) und 14) und auf teilweise Beantwortung der Fragen 3) und 10) glaubhaft gemacht (1.) und insoweit liegt auch ein Anordnungsgrund vor, da die Angelegenheit eilbedürftig ist (2.). Im Übrigen bleibt der Antrag ohne Erfolg.
30 a) Rechtsgrundlage für den vom Antragsteller geltend gemachten Auskunftsanspruch ist § 3 Abs. 1 Satz 1 des Hessischen Gesetzes über Freiheit und Recht der Presse - Hessisches Pressegesetz (HPresseG) - in der Fassung vom 12. Dezember 2003, zuletzt geändert durch Art. 14 zur Anpassung des Datenschutzrechts an die VO (EU) Nr. 2016/679 und zur Umsetzung der RL (EU) Nr. 2016/680 und zur Informationsfreiheit vom 3. Mai 2018 (GVBl. S. 82). Danach sind die Behörden verpflichtet, der Presse die gewünschten Auskünfte zu erteilen. Sinn und Zweck der daraus prinzipiell folgenden Auskunftspflichten ist es, der Presse zu ermöglichen, umfassend und wahrheitsgetreu Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse im staatlichen Bereich zu erhalten, und dadurch in die Lage versetzt zu werden, die Öffentlichkeit entsprechend zu unterrichten. Denn erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zu Informationen versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie zukommende Funktion wirksam wahrzunehmen. Auf diese Weise können die Bürgerinnen und Bürger zutreffende und umfassende Informationen über tatsächliche Vorgänge und Verhältnisse, Missstände, Meinungen und Gefahren erhalten, die ihnen sonst verborgen bleiben würden, aber Bedeutung für eine abgewogene Beurteilung der für die Meinungsbildung essenziellen Fragen haben könnten (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27. Juli 2015, 1 BvR 1452/13).
31 Das an die Behörde gerichtete Auskunftsverlangen muss sich dabei auf Tatsachen zu einem bestimmten Sachverhalt beziehen. Auskunft über Einschätzungen, Kommentare, rechtliche Bewertungen und sonstige „Meinungsäußerungen“ der Behörde kann nicht verlangt werden. Zudem ist der Auskunftsanspruch beschränkt auf bei der Behörde vorhandene Informationen. Die Behörde ist nicht verpflichtet, bestimmte Informationen selbst erst zu erarbeiten oder einzuholen, sie in einer bestimmten Form zusammenzustellen oder aufzubereiten. Die Auskunft muss schließlich nach Form und Inhalt sachgerecht sowie vollständig und wahr sein. Ein Anspruch auf Akteneinsicht besteht in aller Regel nicht (Soppe in BeckOK Informations- und Medienrecht, § 3 Rdnr. 15f. und 22f.). Die Art und Weise der Auskunftserteilung liegt dabei grundsätzlich im Ermessen der Behörde. Insoweit genügt es, wenn der Antragsgegner über den wesentlichen Inhalt der dem Antragsteller noch unbekannten Passagen in pressegeeigneter Form Auskunft erteilt. Diese Vorgaben sind regelmäßig erfüllt, wenn die wesentlichen Fakten vollständig mitgeteilt werden (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. März 2013 - 5 A 1293/11- ; Burkhardt in Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 4 LPG Rdnr. 87).
32 Dieser Auskunftsanspruch besteht zudem nicht schrankenlos. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 HPresseG können die Behörden eine Auskunft (nur) verweigern, soweit durch sie die sachgemäße Durchführung eines straf- oder dienststrafgerichtlichen Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte (Nr. 1), soweit Auskünfte über persönliche Angelegenheiten einzelner verlangt werden, an deren öffentlicher Bekanntgabe kein berechtigtes Interesse besteht, (Nr. 2) und soweit Maßnahmen, die im öffentlichen Interesse liegen, durch ihre vorzeitige öffentliche Erörterung vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnten (Nr. 3). Diese Ausschlussgründe sind - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - abschließend, soweit sie nicht an anderer Stelle ausdrücklich gesetzlich geregelt sind, wie dies z.B. für materielle Geheimhaltungsvorschriften vielfach der Fall ist. Das ergibt sich zum einen bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift und entspricht auch der Intention des Gesetzgebers. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Beschluss vom 19. August 2019 verwiesen (- 2 L 1168/19.WI -).
33 aa) Davon ausgehend hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch hinsichtlich der Fragen 2), 9) und 14) glaubhaft gemacht.
34 (1) Mit den Fragen 2), 9) und 14) begehrt der Antragsteller Auskunft darüber, was an den Stellen, an denen die Herren A., C. und B. in den NSU-Berichten genannt sind, steht. Diese Frage ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - nicht als Antrag auf Akteneinsicht zu verstehen. Es handelt sich vielmehr um einen Auskunftsantrag. Denn es geht dem Antragsteller darum zu wissen, welche tatsächlichen Feststellungen zu den genannten Personen an den (inzwischen benannten) Stellen aufgeführt sind. Die so verstandene Frage lässt sich auch mit einer mehr oder weniger ausführlichen, den Bedürfnissen der Presse gerecht werdenden zusammenfassenden Mitteilung dessen, was dort über die jeweilige Person vermerkt ist, beantworten. Sie ist - nach interessengerechtem Verständnis aus der Perspektive des Empfängerhorizonts ausgelegt - auch hinreichend bestimmt, weil klar erkennbar ist, welche Informationen der Antragsteller begehrt (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. April 2019 - 15 B 1850/18 -). Hinzukommt, dass die Beantwortung von Fragen durch die Gewährung von Akteneinsicht ohnehin nicht gänzlich ausgeschlossen ist, sondern jedenfalls dann in Betracht kommt, wenn alle anderen Formen der Auskunftserteilung unsachgemäß und ermessensfehlerhaft sind (Soppe in BeckOK Informations- und Medienrecht, Gersdorf/Paal/Soppe, 24. Edition 2019, § 3 HPresseG, Rdnr. 25).
35 (2) Der Antragsgegner kann sich insoweit auch weder auf einen der in § 3 Abs. 1Satz 2 Nr. 1 bis 3 HPresseG aufgeführten Gründe noch auf eine sonstige materielle Geheimhaltungsvorschrift zur Verweigerung der begehrten Auskunft berufen.
36 (a) Die Fragen betreffen weder die Durchführung eines straf- oder dienststrafgerichtlichen Verfahrens (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HPresseG), noch ist ersichtlich, dass durch ihre Beantwortung Maßnahmen, die im öffentlichen Interesse liegen, erschwert oder gar vereitelt werden könnten (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 HPresseG). Das gilt auch in Bezug auf den des Mordes verdächtigen Herrn C.. Denn die streitgegenständlichen Berichte waren unter Auswertung sämtlicher einschlägiger Akten darauf ausgerichtet, aus einem Rückblick auf die Tätigkeit vom 1. Januar 1992 bis zum 30. Juni 2012 Erkenntnisse für einen strategischen Reformprozess zu gewinnen (Bl. 121 d. GA im Verfahren 8 B 725/18). Sie betreffen mithin einen Zeitraum lange vor dem Attentat auf den Kasseler Regierungspräsidenten, so dass nicht ersichtlich ist, inwieweit davon ein etwaiges Gerichtsverfahren gegen Herrn C. betroffen sein könnte. Im Übrigen hat der Antragsgegner insoweit substantiiert auch nichts dargelegt.
37 Auch auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HPresseG kann sich der Antragsgegner zur Begründung seiner Auskunftsverweigerung nicht mit Erfolg berufen. Danach können Auskünfte verweigert werden, soweit Auskünfte über persönliche Angelegenheiten einzelner verlangt werden, an deren öffentlicher Bekanntgabe kein berechtigtes Interesse besteht. Persönliche Angelegenheiten in diesem Sinne sind Informationen, die sich auf den privaten Bereich des Betroffenen beziehen. Dazu gehören jedenfalls seine familiären Verhältnisse und Verbindungen, sein Leben im häuslichen Bereich (Privatsphäre) sowie seine Beziehungen zur Umwelt und sein berufliches, wirtschaftliches oder sonstiges öffentliches Wirken (Sozialsphäre - vgl. dazu Klass in Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, Anhang zu 3 zu § 12, Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, Rdnr. 17ff.).
38 Davon ausgehend mögen die hier gewünschten Auskünfte „persönliche Angelegenheiten“ der genannten drei Personen betreffen. Anhaltspunkte dafür, dass an deren Bekanntgabe kein berechtigtes Interesse besteht, sind jedoch weder ersichtlich noch substantiiert vom Antragsgegner vorgetragen. Die wesentlichen Informationen - wie die Namen der drei Personen und die Tatsache, dass die Herren A. und B. Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz waren und Herr C. des Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke verdächtigt wird - sind der Öffentlichkeit mittlerweile ohnehin bekannt. Die weiteren Fragen, ob und inwieweit sie möglicherweise in die Morde des NSU - in welcher Weise auch immer - verwickelt gewesen sein könnten sind von ebenso hohem öffentlichen Interesse wie etwaige Unterlassungen oder Verfehlungen des Landsamtes für Verfassungsschutz oder einzelner seiner Mitarbeiter in diesem Zusammenhang.
39 (b) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann der Antragsgegner seine Auskunftsverweigerung auch nicht erfolgreich auf § 22 Abs. 1 Satz 1 HVSG stützen. Danach darf das Landesamt für Verfassungsschutz personenbezogene Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs nicht übermitteln, es sei denn, dieses ist aus den dort genannten übergeordneten Gründen erforderlich. Diese Vorschrift regelt, wann die Behörde zum Zwecke der Gefahrenabwehr von sich aus Informationen preisgeben darf. Das ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut der Regelung, wonach es in der Vorschrift vorrangig um die Umstände zur Befugnis der Weitergabe von Informationen geht. Dafür spricht weiter der Zusammenhang mit den Regelungen in §§ 18 bis 21 HVSG, die - im Gegensatz zu § 23 HVSG, der ausdrücklich von Übermittlungsverboten spricht - nur die Informationsübermittlung zum Inhalt haben und damit die Voraussetzungen, unter denen diese erfolgen darf. Dieses Verständnis der Regelung wird schließlich gestützt durch die Gesetzesbegründung (LT-Drs. 19/5412 S.51 zur damals noch als § 23 konzipierten Regelung, Unterstreichungen vom Senat), die wie folgt lautet:
40 „§ 23 ermöglicht ausnahmsweise auch eine Informationsübermittlung an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs (bisher § 14). Eine solche Befugnis ist notwendig, um z.B. Fluggesellschaften oder Banken warnen zu können, wenn gewalttätige Extremisten ihre Dienste nutzen wollen. In materieller Hinsicht ist die Übermittlungsbefugnis dadurch begrenzt, dass die Weitergabe der Information zum Schutz vor den in § 3 dieses Gesetzes und in § 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes genannten Bestrebungen, Tätigkeiten und Gefahren erforderlich ist. Als zusätzliche verfahrenstechnische Absicherung bedarf es der Zustimmung der Aufsichtsbehörde.“
41 (c) Auch § 23 Abs. 1 HVSG gestattet es dem Antragsgegner nicht, die begehrten Auskünfte zu verweigern. Nach dieser Vorschrift unterbleibt die Übermittlung von Informationen, wenn
42 1. erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person das Interesse der Allgemeinheit oder des Empfängers an der Übermittlung überwiegen,
43 2. überwiegende Sicherheitsinteressen, insbesondere Gründe des Quellenschutzes oder des Schutzes operativer Maßnahmen, dies erfordern oder
44 3. besondere gesetzliche Regelungen entgegenstehen; die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt.
45 § 23 Abs. 1 Nr. 1 HVSG scheidet aus, da die wesentlichen Informationen über die drei genannten Personen inzwischen der Öffentlichkeit bekannt sind und im Übrigen das Interesse der Allgemeinheit an der Übermittlung überwiegt.
46 § 23 Abs. 1 Nr. 2 HVSG vermag die Auskunftsverweigerung des Antragsgegners ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Gründe des Quellenschutzes kommen zwar grundsätzlich in Betracht, sind hier jedoch weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Dem kann der Antragsgegner insbesondere nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Berichte seien unter Auswertung sämtlicher einschlägiger Akten explizit darauf ausgerichtet, aus einem Rückblick auf die Tätigkeit der vergangenen 20 Jahre Erkenntnisse für einen strategischen Reformprozess zu gewinnen und enthielten insoweit schutzwürdige Passagen. Denn hier geht es nicht um die Einsichtnahme in die gesamten Berichte, die möglicherweise die vom Antragsgegner angesprochenen Folgen nach sich ziehen könnte, sondern nur um die Beantwortung einer konkreten Frage in Bezug auf die drei genannten Personen.
47 Schließlich kann sich der Antragsteller auch nicht mit Erfolg auf Nr. 3 dieser Vorschrift berufen. Zwar sind die beiden hier streitgegenständlichen Berichte nach Angaben des Antragsgegners (Bl. 109 d. GA) mit dem Verschlusssachengrad „VS-Nur für den Dienstgebrauch“ (§ 2 Nr. 4 HSÜG) bzw. „VS-Geheim“ (§ 2 Nr. 2 HSÜG) eingestuft worden. Allein eine VS-Einstufung auf Grund einer Norm, die selbst keine materielle Geheimhaltungsvorschrift enthält - wie etwa § 4 der Hessischen Verschlusssachenanweisung - begründet jedoch kein Auskunftsverweigerungsrecht. Maßgeblich ist insoweit letztlich, ob die materiellen Voraussetzungen für die Einstufung der begehrten Informationen als Verschlusssachen gegeben sind (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 7 C 21/08 - ). Das setzt voraus, dass die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig (VS-Dienstgebrauch) bzw. dass die Kenntnisnahme durch Unbefugte die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen kann (VS-Geheim). Anhaltspunkte dafür sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Das Ansehen einiger Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes ist durch die bis heute aufgedeckten bzw. vermuteten Fehlleistungen nicht unerheblich beeinträchtigt worden, aber es ist weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen, dass durch die Beantwortung der Fragen 2), 9) und 14) die Interessen der Bundesrepublik oder eines ihrer Länder in dem von § 2 HSÜG jeweils genannten/vorausgesetzten Ausmaß beeinträchtigt werden könnten.
48 (d) Schließlich berechtigt auch § 30 HVwVfG wegen seiner andersartigen Zielrichtung den Antragsgegner nicht dazu, Auskünfte der hier begehrten Art zu verweigern. Nach dieser Regelung haben die Beteiligten Anspruch darauf, dass ihre Geheimnisse, insbesondere die zum persönlichen Lebensbereich gehörenden Geheimnisse sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, von der Behörde nicht unbefugt offenbart werden. Diese Regelung ist an § 203 Abs. 2 StGB angelehnt und dient zum einen dem Schutz der die Beteiligten persönlich betreffenden Umstände etc., die als „private“ Angelegenheiten niemanden etwas angehen (vgl. Begründung zum gleichlautenden § 26 [heute § 30] VwVfG des Bundes, BT-Drs. 7/910 S. 54). Darüber hinaus bezweckt sie zugleich die Herstellung eines Vertrauensverhältnisses zwischen Bürger und Behörde, das Voraussetzung für eine sinnvolle Zusammenarbeit im Verwaltungsverfahren und damit auch für die Effizienz des Verwaltungshandelns ist (Kallerhoff/Mayen, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG 9. Aufl. 2018 § 30 Rdnr. 1f). Sie schützt damit Umstände, die der Bürger gegenüber der Behörde im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens offenbart hat bzw. offenbaren musste. Davon ausgehend betreffen die vom Antragsteller gewünschten Auskünfte kein Geheimnis i. S. d. Vorschrift, da weder der Zwischenbericht NSU 2013 noch der Abschlussbericht NSU 2014 Tatsachen etc. beinhaltet, die dem Antragsgegner im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens anvertraut wurden. Es handelt sich vielmehr um eine Zusammenstellung von Informationen, die das Landesamt für Verfassungsschutz im Rahmen der ihm nach § 2 HVSG obliegenden Aufgaben gesammelt hat.
49 bb) Hinsichtlich der Frage 6) hat der Antragsteller ebenfalls einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Mit dieser Frage begehrt er Auskunft darüber, wie oft der seinerzeitige Innenminister Bouffier ausweislich der beiden Berichte in Sachen A. interveniert hat - schriftlich, telefonisch oder persönlich, ggf. mit welchem Inhalt. Insoweit handelt es sich um eine einfach zu beantwortende konkrete Frage, die vom Auskunftsanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 HPresseG gedeckt ist. Dem kann der Antragsgegner nicht mit Erfolg entgegenhalten, damit zeige der Antragsteller, dass es ihm letztlich um eine ins Einzelne gehende Abbildung von Teilen der Berichte zur Aktenprüfung beim Antragsgegner und des darin dokumentierten Erkenntnisstandes bzw. um eine Einsichtnahme in diese Berichte gehe. Denn die Frage zielt letztlich nur darauf ab, wie oft der Innenminister schriftlich oder mündlich oder persönlich interveniert, d. h. ausgleichend eingegriffen bzw. sich (protestierend) in bestimmte Vorgänge eingeschaltet hat (Duden Bedeutungswörterbuch online). Sie lässt sich - auch ohne Darlegung der Einzelheiten eines Gesprächs oder Schriftstücks - schlagwortartig beantworten, je nachdem ob der damalige Innenminister nachgefragt oder bestimmte Vorgehensweisen kritisiert oder auch angemahnt hat.
50 Anhaltspunkte für eine begründete Verweigerung der Beantwortung dieser Fragen sind weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen. Der Antragsgegner hat sich darauf beschränkt, die Beantwortung mit der unzutreffenden Begründung, es handele sich um ein Akteneinsichtsgesuch, zu verweigern, und weitere Ausführungen nicht gemacht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass hier einer der in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 HPresseG aufgeführten Gründe anzunehmen wäre. Nr. 1 (straf- oder dienststrafgerichtliches Verfahren) ist bereits nicht einschlägig und die Voraussetzungen für einen Verweigerungsgrund nach Nr. 2 oder 3 liegen nicht vor.
51 Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HPresseG kann die Auskunft verweigert werden, soweit Auskünfte über persönliche Angelegenheiten einzelner verlangt werden, an deren öffentlicher Bekanntgabe kein berechtigtes Interesse besteht. Die Frage nach einer etwaigen Intervention durch den seinerzeitigen Innenminister mag zwar insoweit eine persönliche Angelegenheit betreffen, als sie die berufliche Sphäre des Ministers betrifft. Insoweit überwiegt aber auch hier das berechtigte Interesse an der öffentlichen Bekanntgabe. Denn Gegenstand der Frage ist die Amtsführung eines ehemaligen Ministers (und heutigen Ministerpräsidenten) und es ist ausdrücklich die Aufgabe der Presse, umfassend und wahrheitsgetreu Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse im staatlichen Bereich zu erhalten und dadurch in die Lage versetzt zu werden, die Öffentlichkeit entsprechend zu unterrichten. Auf diese Weise können die Bürgerinnen und Bürger zutreffende und umfassende Informationen über tatsächliche Vorgänge und Verhältnisse, Missstände, Meinungen und Gefahren erhalten, die ihnen sonst verborgen bleiben würden, aber Bedeutung für eine abgewogene Beurteilung der für die Meinungsbildung essenziellen Fragen haben könnten. Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zu Informationen versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie zukommende Funktion wirksam wahrzunehmen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27. Juli 2015 - 1 BvR 1452/13 -).
52 Schließlich sind auch Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner die Beantwortung der Frage unter Berufung auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 HPresseG verweigern könnte, vom Antragsgegner weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Danach kann die Auskunft verweigert werden, soweit Maßnahmen, die im öffentlichen Interesse liegen, durch ihre vorzeitige öffentliche Erörterung vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnten. Zwar ist der NSU-Komplex und eine etwaige Verwicklung des Hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz nach wie vor für die Öffentlichkeit nicht vollständig aufgeklärt. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass durch die vom Antragsteller mit der vorliegenden Frage gewünschten Angaben geplante Maßnahmen vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnten.
53 cc) Mit den Fragen 3) und 10) hat der Antragsteller, soweit er Auskunft darüber begehrt, wie oft Herr B. mit Herrn A. (Frage 3) bzw. Herr B. mit Herrn C. (Frage 10) zusammen genannt wird, ebenfalls einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (1). Soweit er zudem wissen möchte, wie oft die Herren in den Berichten jeweils miteinander in Verbindung gebracht werden, ist der Antrag hingegen abzulehnen (2).
54 (1) Bei der Frage, wie oft die jeweiligen Personen in den beiden Berichten zusammen genannt werden, handelt es sich um eine konkrete, numerisch zu beantwortende Frage, die vom Auskunftsanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 HPresseG gedeckt und vom Antragsgegner zu erfüllen ist. Anhaltspunkte für ein Auskunftsverweigerungsrecht sind weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Dass die Herren A. und B. sich kannten bzw. kennen und miteinander beim Hessischen Landesamt für Verfassungsschutz gearbeitet haben, ist mittlerweile in der Öffentlichkeit ohnehin bekannt (vgl. etwa Burkhard Heinz, MENSCH+BEWEGT vom 24. September 2019: NSU: 11mal C. mit A., B. und Gemüse?, http://menschbewegt.de; und Peter Schwarz vom 22. Oktober 2019: Wie die hessischen Behörden den NSU und die Lübcke-Mörder decken, www.wsws.org/de)
55 (2) Soweit der Antragsteller hingegen auch Auskunft darüber begehrt, wie oft die Herren in den beiden Berichten jeweils miteinander „in Verbindung gebracht“ werden, hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, weil dieses Begehren von § 3 Abs. 1 Satz 1 HPresseG nicht mehr gedeckt ist. Mit dieser Frage geht der Antragsteller über die bloße Mitteilung von Fakten hinaus und ersucht um Auskunft über vom Antragsgegner auf Grund der festgestellten Tatsachen getroffene Wertungen. Insoweit geht es dem Antragsteller nicht mehr nur um die bloße Anzahl der Stellen, an denen besagte Herren zusammen genannt werden, sondern darum zu erfahren, an wie vielen Stellen der Bericht eine Verbindung zwischen diesen Herren herstellt. Das erfordert jedoch eine an Hand von ermittelten Tatsachen getroffene Bewertung der Fakten.
56 dd) Hinsichtlich der Beantwortung der Fragen 4), 11), 15) und 16) hat der Antragsteller ebenfalls einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Dabei geht der Senat davon aus, dass es in den Fragen 4) und 11) ebenfalls „in Verbindung gebracht“ heißen soll. Denn die bloße Nennung der anderen Personen ist bereits vom ersten Teil der Frage umfasst. So verstanden fragt der Antragsteller mit dem ersten Teil der formulierten Frage jeweils danach, mit welchen anderen Personen die jeweils genannten Herren in den Berichten zusammen genannt werden. In dieser Form sind die Fragen hinreichend bestimmt und beziehen sich auch auf Tatsachen, so dass sie grundsätzlich vom Auskunftsanspruch nach § 3 HPresseG gedeckt sind.
57 Insoweit kann sich der Antragsgegner jedoch auf § 23 Abs. 1 Nr. 3 HVSG berufen und die Beantwortung der Fragen verweigern. Denn mit diesen Fragen begehrt der Antragsteller Auskunft über Kontakte zu anderen, nicht näher bezeichneten Personen. Als solche Personen kommen ggf. auch weitere V-Leute oder sonstige Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in Betracht, deren Arbeit für den Verfassungsschutz bislang noch nicht aufgedeckt ist. Eine vollständige und wahrheitsgemäße Beantwortung der Fragen würde daher u.U. bisher nicht bekannte Verbindungen der Herren A., C. und B. zu anderen V-Personen aufdecken und so dem Quellenschutz zuwider laufen. Quellenschutz aber ist eine wesentliche Voraussetzung für die weitere Nutzung aktiver und die Gewinnung neuer Informationsquellen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Einhaltung von Vertraulichkeitszusagen. Sie ist unverzichtbare Voraussetzung für die Anwerbung und Führung von V-Personen. Die Effektivität der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste unter Einsatz von V-Personen ist davon abhängig, dass das Vertrauen in die Einhaltung gegebener Vertraulichkeitszusagen nicht erschüttert wird. Werden Informationen über V-Leute und sonstige verdeckte Quellen herausgegeben, schwächt dies das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen. Das gilt insbesondere für den Fall, dass eine V-Person oder eine sonstige Quelle enttarnt wird. Darüber hinaus kann auch in diesem Zusammenhang bereits der (subjektive) Eindruck ausreichen, die Vertraulichkeit sei nicht gesichert, um aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abzuhalten und die Gewinnung neuer Quellen zu erschweren (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -).
58 ee) Auch hinsichtlich der Fragen 5), 12) und 17) hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Mit diesen Fragen begehrt er Auskunft darüber, welche Erkenntnisse über die drei genannten Personen sich aus den beiden Berichten ergeben. Auch diese Fragestellung geht über die bloße Mitteilung von Fakten hinaus. Denn Erkenntnisse sind durch „geistige Verarbeitung von Eindrücken und Erfahrungen gewonnene Einsichten“ (Duden, Bedeutungswörterbuch online). Sie erfordern daher neben einer Zusammenstellung der Fakten deren Bewertung, d. h. eine Einschätzung der Lage durch die Behörde auf Grund der gesammelten Informationen, was über den nach § 3 Abs. 1 Satz 1 HPresseG gewährten Auskunftsanspruch hinausgeht.
59 b) Ein Anspruch des Antragstellers auf Beantwortung seiner Fragen folgt auch nicht unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Der vom Bundesverwaltungsgericht insoweit für Auskunftsansprüche gegen Bundesbehörden entwickelte Anspruch findet jedenfalls im Anwendungsbereich der landesrechtlich geregelten Auskunftsansprüche der Presse keine Anwendung. Vorliegend richtet sich der geltend gemachte Anspruch gegen das Land Hessen und unterfällt somit § 3 Abs. 1 Satz 1 HPresseG, so dass es eines Rückgriffs auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG - der ohnehin keine weitergehenden Auskünfte vermittelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2/12 -) - nicht bedarf.
60 c) Auch Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK vermittelt dem Antragsteller keinen Anspruch auf die gewünschten Informationen. Diese Vorschrift untersagt einem Konventionsstaat, eine Person am Empfang von Informationen Dritter zu hindern. Sie kann jedoch grundsätzlich nicht so verstanden werden, dass sie dem Staat die Pflicht auferlegt, bestimmte Informationen zu geben.
61 Ausnahmsweise kann zwar etwas anderes gelten, wenn der Staat in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse über ein Informationsmonopol verfügt oder eine Informationsquelle aus anderen rechtlichen Gründen zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt ist. Selbst dann verbietet Art. 10 EMRK allerdings lediglich eine willkürliche zensurähnliche Verhinderung des Informationszugangs, die eine angemessene Presseberichterstattung unmöglich macht. Um einen solchen Fall handelt es sich hier schon deshalb nicht, weil dem Antragsteller ein presserechtlicher Auskunftsanspruch in dem oben dargelegten Umfang zusteht, der ihm eine angemessene Presseberichterstattung ermöglicht (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Dezember 2013 - 5 A 413/11 -).
62 d) § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG kommt als Anspruchsgrundlage ebenfalls nicht in Betracht, da danach nur der Informationszugang gegenüber den Behörden des Bundes gewährt wird.
63 e) Schließlich kann der Antragsteller den von ihm geltend gemachten Anspruch auch nicht mit Erfolg auf § 80 Abs. 1 Satz 1 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes vom 3. Mai 2018 (GVBl. S. 82) stützen. Denn § 82 Nr. 1 HDSIG schließt den - allen Bürgern zustehenden - Informationszugang bei Verschlusssachen nach § 2 Abs. 1 HSÜG ausdrücklich aus.
64 2. Der Antragsteller hat - soweit er einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat - auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Dabei ist im Blick zu behalten, dass an den Eilrechtsschutz in Auskunftsverfahren keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürfen. Die Information der Bevölkerung ist als Grundlage der öffentlichen Meinungsbildung vornehmlich Aufgabe der Presse. Sie entscheidet in den Grenzen des Rechts grundsätzlich selbst, ob und wie sie über ein bestimmtes Thema berichtet. Das "Ob" und "Wie" der Berichterstattung ist Teil des Selbstbestimmungsrechts der Presse, das auch die Art und Weise ihrer hierauf gerichteten Informationsbeschaffungen grundrechtlich schützt. Unter das Selbstbestimmungsrecht in zeitlicher Hinsicht fällt dabei auch die Freiheit der Presse, zu entscheiden, ob eine Berichterstattung zeitnah erfolgen soll. Die Beschaffung der Informationen darf daher für die Presse nicht unverhältnismäßig begrenzt werden. Es genügt deshalb, wenn Eilrechtsschutz nur gewährt wird, wo ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung vorliegen. Dies kann jedoch nicht mit der Begründung verneint werden, die Berichterstattung ziele nicht auf unaufschiebbare Berichte wie die Aufdeckung von schweren Rechtsbrüchen staatlicher Entscheidungen und bleibe daher auch später möglich; denn dies ist angesichts der Fähigkeit der Presse, selbst Themen zu setzen, immer denkbar. Vielmehr kann die Presse ihre Kontroll- und Vermittlungsfunktion nur wahrnehmen, wenn an den Eilrechtsschutz in Auskunftsverfahren auch hinsichtlich der Aktualität einer Berichterstattung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (BVerfG, Beschluss vom 8. September 2014 - 1 BvR 23/14 -).
65 Davon ausgehend besteht - wie das Verwaltungsgericht in Bezug auf die Fragen 1), 8) und 13) bereits festgestellt hat - auch bezüglich der im Tenor genannten Fragen ein Anordnungsgrund. Denn die Berichterstattung über die NSU-Morde ist nach wie vor von sehr starkem Aktualitätsbezug, der gerade vor dem Hintergrund des Mordes an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und der jetzt in der Presse auftauchenden Verbindungen zwischen Herrn A. und Herrn C. noch einmal bestätigt wurde.
66 3. Die Kosten des gesamten Verfahrens haben der Antragsteller zu 7/17 und der Antragsgegner zu 10/17 zu tragen (§ 155 Abs. 1 VwGO).
67 Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG, wobei der Senat sich an Ziffer 45.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 31. Mai/1. Juni 2012 bzw. 18.
68 Juli 2013 (Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 25. Aufl. 2019, Anh. § 164 Rdnrn. 14 ff.) orientiert und den Auffangstreitwert dreimal in Ansatz bringt, da die gestellten Fragen sich auf drei verschiedene Personen beziehen. Von einer Reduzierung im Hinblick auf Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs wird angesichts der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache abgesehen.
69 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).