VG Leipzig
Beschluss vom 02. November 2018
– 3 L 1191/18 –
In der Verwaltungsrechtssache
des Herrn
Die Welt
Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin
- Antragsteller -
prozessbevollmächtigt:
Rechtsanwälte Partsch & Partner
Kurfürstendamm 50, 10707 Berlin
gegen
die Stadt Leipzig
vertreten durch den Oberbürgermeister
Martin-Luther-Ring 4-6, 04107 Leipzig
- Antragsgegnerin -
wegen:
Erteilung einer Auskunftssperre gemäß § 51 Abs. 1 BMG
hier: Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz
hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Leipzig durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht , die Richterin am Verwaltungsgericht und die Richterin am Arbeitsgericht am 2. November 2018
beschlossen:
1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache - längstens für die Dauer von zwei Jahren - eine Auskunftssperre zu Gunsten des Antragstellers im Melderegister einzutragen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Antragstellers auf Eintragung einer Auskunftssperre.
Der Antragsteller ist investigativer Journalist der deutschen überregionalen Tageszeitung „Die Welt" und der Zeitung „Welt am Sonntag". Darüber hinaus ist er auch Autor des Buches "Vorwärts und Vergessen! Kader, Spitzel und Komplizen: Das gefährliche Erbe der SED-Diktatur". Seinen allgemeinen Wohnsitz hat er in B(Nebenwohnsitz) und in L(Hauptwohnsitz). Zugunsten des Antragstellers war auf seinen Antrag im Melderegister des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten der Bundeshauptstadt Berlin sowie bei der Antragsgegnerin eine für den Zeitraum 18. Februar 2016 bis 17. Februar 2018 befristete Auskunftssperre eingetragen. Nachdem die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Schreiben vom 11. Dezember 2017 darauf hingewiesen hatte, dass die eingetragene Auskunftssperre zum 17. Februar 2018 enden wird, und (unter Fristsetzung bis zum 17. Januar 2018) auf die Möglichkeit einer Verlängerung hingewiesen hatte, beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 4. März 2018 eine Verlängerung der Auskunftssperre. Mit Schreiben vom 23. April 2018 wurde der Antragsteller unter Fristsetzung zum 4. Mai 2018 aufgefordert, die für die Eintragung einer Auskunftssperre erforderlichen Tatsachen im Hinblick auf das Vorliegen einer Gefährdungslage glaubhaft darzulegen. Da der Antragsteller seinen Antrag nicht weiter begründete, lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 29. Mai 2018 den Antrag auf Verlängerung der Auskunftssperre ab und wies darauf hin, dass die vorläufig eingetragene Auskunftssperre mit Erlass des Bescheides aus dem Melderegister entfernt werde.
Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller mit Schreiben vom 4. Juni 2018 Widerspruch eingelegt und beantragt, die bestehende Auskunftssperre bis zu einer endgültigen Endscheidung bestehen zu lassen. An der bestehenden Bedrohungslage, die bei seinem letzten Antrag ausführlich erörtert worden sei, habe sich nichts geändert. Mit Schreiben vom 13. Juni 2018 teilte die Antragsgegnerin mit, dass Gründe, die für eine Rechtfertigung seiner Auskunftssperre geeignet seien, ggf. im Widerspruchsverfahren Berücksichtigung finden könnten, eine gesetzliche Grundlage für eine Entscheidung über eine vorläufige Auskunftssperre sei nicht vorhanden. Mit Schreiben vom 21. Juni 2018 überreichte der Antragsteller eine Erklärung des Ressortleiters Investigation und Reportage als "Bestätigung zur Vorlage bei den Meldebehörden". Am 2. Juli 2018 fragte der Antragsteller an, ob zwischenzeitlich eine Auskunftssperre eingetragen sei. Mit anwaltlichem Schreiben vom 9. August 2018 beantragte er erneut, eine Auskunftssperre einzutragen. Dem Widerspruch wurde nicht abgeholfen, er wurde am 11. September 2018 der Widerspruchsbehörde zur Entscheidung vorgelegt. Mit Schreiben vom 28. September 2018 beantragte der Antragsteller zusätzlich, eine vorläufige Meldesperre bis zum Abschluss des Verfahrens mit dem Aktenzeichen … über die Erteilung einer Auskunftssperre einzutragen. Die Antragsgegnerin lehnte die Eintragung einer vorläufigen Auskunftssperre mit Bescheid vom 15. Oktober 2018 ab. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 17. Oktober 2018 Widerspruch eingelegt.
Mit seinem Antrag vom 15. Oktober 2018 hat der Antragsteller die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz begehrt. Er habe gemäß § 51 Abs. 1 Bundesmeldegesetz - BMG - Anspruch auf Eintragung einer Auskunftssperre. Als investigativer Journalist recherchiere und veröffentliche er regelmäßig zu den Themen organisierte Kriminalität und Wirtschaftskriminalität, Aktionen und Strukturen rechts- und linksextremer Gruppierungen und populistische Bewegungen, insbesondere zu sogenannten Reichsbürgern sowie zu Machenschaften ausländischer Nachrichtendienste in Deutschland und im Ausland. Diese Umstände seien durch das Schreiben seines Ressortleiters vom 21. Juni 2018 bestätigt worden. Bei der Bearbeitung dieser Themen seien Journalisten immer wieder Bedrohungen und Gefährdungen ausgesetzt. Der Antragsteller recherchiere intensiv seit Jahren zum Bereich Geldwäsche durch russische und andere Kreise. Der slowakische Journalist … und seine Verlobte seien bei einem Anschlag ums Leben gekommen, da Herr … zu einer Verbindung der slowakischen Regierung mit der italienischen Mafia und zu Geldwäsche recherchiert habe. Herr … sei ein Kollege des Antragstellers gewesen, auch er sei für ein Unternehmen der Axel Springer SE tätig gewesen. Gemeinsam mit zwei Kollegen habe der Antragsteller insbesondere die Geldwäscheaktivitäten des in Moskau lebenden Anwaltes … recherchiert. Dieser sei gerichtlich gegen die Zeitung vorgegangen und in dem Verfahren unterlegen, es bestünden nunmehr keine legalen Mittel mehr, gegen den Antragsteller und seine Kollegen vorzugehen. Für Herrn …, einen Mitautor der Artikel des Antragstellers, habe das zuständige Amt in Berlin eine Auskunftssperre eingerichtet, ebenso für fünf weitere Kollegen des Antragstellers. Auch durch die Recherchen zu Reichsbürgern und anderen Extremisten bestehe eine erhebliche abstrakte Gefahr. Eine weitere Gefahr ergebe sich daraus, dass ausländische Dienste in Berlin zwischenzeitlich völlig ungeniert die Interessen ihrer Staaten verträten, auch dort liege eine abstrakte Gefährdungslage für investigative Journalisten vor. Es sei zudem zu berücksichtigen, wie sich die sozialen Netzwerke auf den Journalismus und die Journalisten auswirkten, Angriffe und Hasskommentare gehörten insoweit zur Tagesordnung. Auch der Antragsteller habe schon Strafanzeige gegen Unbekannte stellen müssen, da sein Leben anonym per E-Mail bedroht worden sei. Soweit die Adresse von Journalisten durch einfache Meldeauskunft in Erfahrung gebracht werden könne, bestehe die Gefahr, dass diese im Internet veröffentlicht und verbreitet werde. Am 9. September 2018 habe der Antragsteller eine E-Mail mit der Überschrift Bombendrohung erhalten. Der Antragsteller habe als einer der ersten über den Fall von Köthen berichtet, dieser Bericht habe in den sozialen Medien eine Vielzahl von extrem feindlichen Kommentaren hervorgerufen. Die Antragsgegnerin habe das ihr zustehende Ermessen nicht ausgeübt. Zudem liege ein Ermessensfehlgebrauch vor, da sie verkannt habe, dass das Widerspruchsverfahren noch nicht entschieden sei. Eine vorläufige Auskunftssperre bis zu einer endgültigen Entscheidung sei möglich, in anderen Bundesländern werde dies auch so gehandhabt. Schließlich liege auch eine Ermessensüberschreitung vor. Die Verweigerung der Auskunftssperre sei nicht verhältnismäßig, der Antragsteller sei in seiner körperlichen Unversehrtheit und seinem Leben bedroht. In anderen Bundesländern seien die vorgebrachten Gründe ausreichend für die Eintragung einer Auskunftssperre. Es liege auch ein Anordnungsgrund vor, dem Antragsteller sei nicht zuzumuten, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Es liege eine außerordentlich hohe abstrakte und durch die Bombendrohung über eine Schweizer IP-Tarnadresse auch konkrete Gefahr für das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Antragstellers vor. Es könnten ihm schwere, unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen. Es könne ihm nicht zugemutet werden, sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit aufs Spiel zu setzen, bis die Behörde entschieden habe oder der Rechtsstreit beigelegt sei.
Der Antragsteller beantragt,
1. der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, eine Auskunftssperre im Melderegister einzutragen,
hilfsweise,
2. der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig aufzugeben, eine Auskunftssperre im Melderegister einzutragen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Voraussetzungen für eine einstweilige Anordnung lägen nicht vor. Es fehle bereits an einem Anordnungsanspruch. Soweit der Antragsteller am 4. März 2018 eine Verlängerung der Auskunftssperre beantragt habe, könne dieser Antrag bereits deshalb keinen Erfolg haben, da die Eintragung der Auskunftssperre mit Ablauf des 17. Februar 2018 geendet habe, eine Verlängerung des zeitlich befristeten Verwaltungsaktes sei nicht möglich. Entsprechend bestehe auch kein Anspruch, die Auskunftssperre bis zu einer endgültigen Entscheidung bestehen zu lassen. Für ein Bestehenlassen einer zuvor gelöschten Auskunftssperre bestehe kein Raum. Ein Anspruch auf Eintragung einer Meldesperre gemäß § 51 Abs. 1 BMG bestehe nur dann, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass dem Betroffenen oder einer anderen Person durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnlich schutzwürdige Interessen erwachsen könne. Die an die Eintragung einer Auskunftssperre zu stellenden Voraussetzungen seien immens, das Vorliegen einer besonderen Gefährdung sei einzelfallbezogen zu begründen. Dies gelte insbesondere auch dann, wenn eine solche Gefährdung aufgrund beruflicher Tätigkeit des Betroffenen angenommen werden müsse. Für Journalisten, auch im investigativen Recherchebereich, die aus gewalttätigen und kriminellen Milieus berichteten, gelte kein Sonderrecht. Auch hier könne eine allgemeine Gefahr nur dann eine Auskunftssperre rechtfertigen, wenn sich diese in einer konkreten und aktuellen Bedrohungssituation im privaten Umfeld des Antragstellers manifestiere. Die Darstellung auf dem Schreiben des Ressortleiters Investigation und Reportage vom 21. Juni 2018 genüge insoweit nicht, da nicht hinreichend konkret auf eine individuelle Gefährdungssituation des Antragstellers abgestellt worden sei. Die Erkenntnisse müssten in dem bei der Landesdirektion anhängigen Widerspruchsverfahren ausermittelt und eingehend festgestellt werden. Ein Anspruch auf Eintragung einer vorläufigen Auskunftssperre bestehe nicht. Eine vorläufige Eintragung würde zu einer melderechtlichen Ungleichbehandlung und damit zu einer Erweiterung des Rechtskreises des Antragstellers führen, da eine solche wesentlich länger aktiv sein könne, als die "richtige Auskunftssperre", die gemäß § 51 Abs. 4 Satz 1 BMG auf zwei Jahre befristet sei. Die vorläufige Auskunftssperre würde nicht nur die Regelung der Hauptsache vorwegnehmen, sondern den zeitlichen Rahmen der Auskunftssperre sprengen. Insoweit sei zudem die weitere Datenlage zu personenbezogenen Daten des Antragstellers, soweit dieser diese selbst veranlasst oder zumindest unwidersprochen dulde, zu berücksichtigen. Dabei falle auf, dass in einem Eintrag zum Antragsteller bei Wikipedia sowohl … als auch … als Wohnsitz angegeben worden sei. Zudem sei nicht nur der Wohnort des Antragstellers im Internet genannt, er sei darüber hinaus auch mehrfach fotografisch dargestellt. Schließlich sei auch nicht dargelegt, dass eine Übermittlungssperre gemäß § 41 Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz - StVG - beim Sächsischen Landesamt für Straßenbau und Verkehr beantragt worden sei. Soweit eine Übermittlungssperre nicht bestehe, sei es Dritten mittels einfacher Halterabfrage über den Zentralruf der Autoversicherer möglich, neben dem Namen des Kraftfahrzeugs, des Kraftfahrzeugführers, dessen Haftpflichtversicherung zu recherchieren. Insbesondere bei einer gewillkürten Schadensregulierung sei nicht auszuschließen, dass hier auch die Adresse des Unfallverursachers unberechtigten Dritten zur Kenntnis gelange. Schließlich fehle es auch an einem Anordnungsgrund. Ein Schutz liege bereits seit dem 18. Februar 2018 nicht mehr vor, es sei nicht ersichtlich, warum nunmehr eine besondere Eilbedürftigkeit gegeben sei. Es fehle weiterhin eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers zum Nachweis einer individuellen Gefährdungssituation, die vorgelegte Dienstherrenerklärung sei insoweit nicht ausreichend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte, die Gegenstand der Beratung waren, Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet.
Hinsichtlich des gestellten Antrages geht das Gericht, das nach §§ 88, 122 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - an die Fassung der Anträge nicht gebunden ist, davon aus, dass der Antragsteller im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine vorläufige Regelung begehrt, die nicht über den Zeitpunkt der Beendigung eines Hauptsacheverfahrens bzw. über die zeitliche Befristung des Anspruchs auf Eintragung einer Auskunftssperre für zwei Jahre hinausgeht.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung - etwa um wesentliche Nachteile abzuwenden - nötig erscheint. Dabei sind nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO - die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) und das Bestehen des zu sichernden Rechtes (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen. Wird die (vorläufige) Vorwegnahme der Hauptsache begehrt, ist Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, dass der Antragsteller eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr rechtzeitig erwirken kann, dem Betroffenen ohne Erlass einer einstweiligen Anordnung schlechthin unzumutbare Nachteile drohen und sein Begehren schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten bei Anlegung eines strengen Maßstabes erkennbar Erfolg haben muss.
Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Antrag Erfolg.
1. Ein Anordnungsanspruch liegt vor. Nach summarischer Prüfung ist davon auszugehen, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Eintragung einer Auskunftssperre hat.
Zwar dürfte der Bescheid vom 29. Mai 2018, mit dem die Antragsgegnerin den Antrag vom 4. März 2018 abgelehnt hat, zunächst rechtmäßig ergangen sein. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Anspruch auf Verlängerung einer bestehenden Auskunftssperre oder die Eintragung einer weiteren befristeten Auskunftssperre geltend gemacht wird. Die Voraussetzungen für das Bestehen eines Anspruchs auf Eintragung einer Meldesperre hat der Antragsteller innerhalb der ihm gesetzten Frist bis zum 14. Mai 2018 bzw. bis zu einer Entscheidung der Behörde am 29. Mai 2018 nicht dargelegt. Der Verweis darauf, dass die bei Eintragung der Meldesperre zugrunde gelegte Gefahrenlage unverändert fortbesteht, dürfte insoweit bereits deshalb nicht ausreichend gewesen sein, weil die Antragsgegnerin die Eintragung nicht aufgrund eigener Sachprüfung vorgenommen, sondern - während eines laufenden Widerspruchsverfahrens nach Ablehnung des Antrages - eine Entscheidung der für den Zweitwohnsitz des Antragstellers in Berlin zuständigen Behörde übernommen hat. Eine Begründung des Antrags erfolgte erst mit Schreiben vom 21. Juni 2018 unter Vorlage einer Erklärung seines Ressortleiters.
Es ist aber als überwiegend wahrscheinlich anzusehen, dass der Widerspruch des Antragstellers Erfolg haben wird, weil er nunmehr Tatsachen dargelegt hat, die geeignet sind, einen Anspruch auf Eintragung einer Auskunftssperre zu begründen. Auf die Frage, ob ein Antrag auf Eintragung einer vorläufigen Meldesperre besteht, kommt es dabei nicht entscheidungserheblich an.
a. Rechtsgrundlage für die beantragte Eintragung einer Auskunftssperre im Melderegister ist § 51 Abs. 1 BMG. Danach hat die Meldebehörde auf Antrag oder von Amts wegen eine Auskunftssperre einzutragen, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der betroffenen oder einer anderen Person durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen erwachsen kann. Sofern nach Anhörung der betroffenen Person eine Gefahr nach Absatz 1 nicht ausgeschlossen werden kann, ist gemäß § 51 Abs. 2 BMG eine Melderegisterauskunft nicht zulässig. Die Auskunftssperre wird auf zwei Jahre befristet. Sie kann auf Antrag oder von Amts wegen verlängert werden (§ 51 Abs. 4 BMG).
Nach dem Gesetzeswortlaut hängt das Vorliegen einer Gefahr i. S. d. § 51 Abs. 1 BMG für eine Person von deren individuellen Verhältnissen ab; die Überschreitung der maßgeblichen Gefahrenschwelle lässt sich nur in Bezug auf eine konkrete Person durch Darlegung ihrer Verhältnisse belegen. Zu den individuellen Verhältnissen gehört auch die berufliche Tätigkeit der betroffenen Person. Allein die berufliche Tätigkeit und damit die Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe kann hiernach eine Gefahr im Sinne des § 51 Abs. 1 BMG allerdings nur in seltenen Ausnahmefällen begründen. Dazu muss die Gefahrenschwelle, die das Vorliegen eines schwerwiegenden Grundes verlangt, allein durch die berufstypischen Risiken überschritten werden, denen sich die betroffene Berufsgruppe ausgesetzt sieht. Das setzt hinreichend dichte Tatsachenfeststellungen voraus, aus denen sich abstrakt das Vorliegen einer Gefahr für alle Angehörigen dieser Berufsgruppe ergibt. Denn die Gefahrenschwelle liegt bei einer abstrakten Gefahr nicht niedriger als im Falle der individuellen Prognose einer konkreten Gefahr. Das ergibt sich aus den Zwecken des Melderegisters, der Melderegisterauskunft sowie dem Ausnahmecharakter der Auskunftssperre gemäß § 51 BMG (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14. Februar 2017 - 6 B 49/16 -, juris Rn. 6 m. w. N.).
Aufgaben der Meldebehörde sind nach § 2 BMG, in einem Melderegister die in ihrem Zuständigkeitsbereich wohnhaften Personen (Einwohner) zu registrieren, um deren Identität und deren Wohnungen feststellen und nachweisen zu können, sowie Melderegisterauskünfte zu erteilen, bei der Durchführung von Aufgaben anderer öffentlicher Stellen mitzuwirken und Daten zu übermitteln. Gerade die letztgenannte Pflicht zur Erteilung von Melderegisterauskünften wird in beachtlichem Umfang beeinträchtigt, wenn Angehörige ganzer Berufsgruppen allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit eine Auskunftssperre beanspruchen könnten oder diese für sie von Amts wegen einzutragen wäre. Allerdings ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, die Überschreitung der Gefahrenschwelle des § 51 Abs. 1 BMG ausnahmsweise auch für eine ganze Berufsgruppe festzustellen. Das entspricht auch dem in den Gesetzesmaterialien zur melderechtlichen Auskunftssperre zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14. Februar 2017 - 6 B 49/16 -, juris Rn. 7 m. w. N.).
Der Verweis in den Gesetzesmaterialien auf die Bediensteten der "in § 18 Abs. 3 genannten Behörden" (Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, Militärischer Abschirmdienst, Bundeskriminalamt, Bundespolizei, Zollfahndungsdienst, Generalbundesanwalt sowie die in den Ländern für Sicherheitsaufgaben und die Strafverfolgung zuständigen Behörden) erhellt, dass bereits der Gesetzgeber des Melderechtsrahmengesetzes davon ausgegangen ist, die für eine melderechtliche Auskunftssperre relevanten Gefährdungstatbestände könnten auch für Gruppen von Personen erfüllt sein (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14. Februar 2017 - 6 B 49/16 -, juris Rn. 8 m. w. N.).
Für die Annahme einer abstrakten Gefahr, die für eine Eintragung einer Auskunftssperre nach § 51 Abs. 1 BMG allein aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe ausnahmsweise ausreicht, ist erforderlich, dass Tatsachen festgestellt werden, die eine Gefahrenprognose rechtfertigen, dass aufgrund von in Einzelfällen verwirklichten Gefährdungen der Schluss gezogen werden kann, dass alle Angehörigen der Berufsgruppe sich in einer vergleichbaren Gefährdungslage befinden. Hierzu reicht die Feststellung einzelner Vorfälle nicht aus. Die Vorfälle müssen in einer Anzahl und Häufigkeit auftreten, das der Schluss berechtigt ist, jeder Angehörige der jeweiligen Berufsgruppe sei einer berufstypischen Gefährdung ausgesetzt. Eine derartige berufsgruppentypische Gefährdungslage dürfte in aller Regel nur durch statistische Angaben oder Ergebnisse repräsentativer Umfragen belegt werden können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14. Februar 2017 - 6 B 49/16 -, juris Rn. 9 m. w. N.).
b. Unter Beachtung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen für die Eintragung einer Meldesperre nach summarischer Prüfung vor. Aufgrund der von Antragsteller angeführten Tatsachen ist anzunehmen, dass dieser aufgrund seiner konkreten beruflichen Tätigkeit einer abstrakten Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen ausgesetzt ist. Der Antragsteller hat dargelegt, dass er als investigativer Journalist für eine überregionale Tages- bzw. Sonntagszeitung mit einem erheblichen Verbreitungsgrad regelmäßig zu den Themen organisierte Kriminalität und Wirtschaftskriminalität, Aktionen und Strukturen rechts- und linksextremer Gruppierungen und populistische Bewegungen, insbesondere zu sogenannten Reichsbürgern sowie zu Machenschaften ausländischer Nachrichtendienste in Deutschland und im Ausland recherchiert und veröffentlicht. Der Antragsteller recherchiert seit Jahren zum Bereich Geldwäsche durch russische und andere Kreise. Gemeinsam mit zwei Kollegen hat der Antragsteller insbesondere die Geldwäscheaktivitäten des in Moskau lebenden Anwaltes … recherchiert.
Diese Umstände ergeben sich aus dem Schreiben des Ressortleiters des Antragstellers vom 21. Juni 2018 und wurden von der Antragsgegnerin nicht in Zweifel gezogen. Die Antragsgegnerin hat ihre Ablehnung nicht darauf gestützt, dass der Antragsteller keine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, sondern darauf, dass die vorgetragenen Umstände die Annahme einer konkreten Gefahr für den Antragsteller nicht rechtfertigen.
Aufgrund dieser spezifischen journalistischen Tätigkeit ist anzunehmen, dass der Antragsteller mit seinen Recherchen und Artikeln Tatsachen aufdeckt und veröffentlicht, an denen die Betroffenen ein erhebliches Geheimhaltungsinteresse haben. Es handelt sich dabei zudem um Personen bzw. Organisationen, bei denen es jedenfalls nicht fernliegend erscheint, dass missliebige Personen ggf. auch vorherige Ankündigung in einem der geschützten Rechtsgüter bedroht sind. Beispielhaft hat der Antragssteller insoweit auf den Tod des für ein Unternehmen der … tätigen slowakischen Journalisten … und seiner Verlobten verwiesen, der zu einer Verbindung der slowakischen Regierung mit der italienischen Mafia und zu Geldwäsche recherchiert hatte. Auch die Journalistin …, die auf Malta in die Luft gesprengt wurde, hatte zu den Themen Geldwäsche und Korruption recherchiert und veröffentlicht. Der Umstand, dass Personen aus den genannten Kreisen die Wohnanschrift des Antragstellers ggf. auch auf anderem Wege in Erfahrung bringen können, steht der Annahme, dass durch die Meldeauskunft eine Gefahr drohen kann, nicht entgegen.
Auch die Recherchen in den Bereichen Rechtsextremismus, Reichsbürger bzw. Linksextremismus bergen ein verhältnismäßig hohes Gefahrenpotenzial. Zwar lässt die Anzahl entsprechender Kommentare in sozialen Medien nicht unmittelbar auf eine entsprechend hohe Gefahr schließen, es ist jedoch vermehrt zu Übergriffen auf Journalisten gekommen, so dass auch die Tätigkeit in den genannten Bereichen jedenfalls ein weiteres Gefahrenpotenzial begründet.
Die Annahme einer Gefährdungslage bedarf vorliegend auch keiner statistischen Angaben oder Ergebnisse repräsentativer Umfragen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass vorliegend nicht lediglich eine berufsgruppenspezifische Gefährdung für eine große Berufsgruppe festgestellt wurde, sondern die Besonderheiten der journalistischen Tätigkeit im konkreten Einzelfall gewürdigt wurden. Einer darüber hinausgehenden konkreten Gefahr, die sich in bereits eingetretenen Rechtsgutsverletzungen, Drohungen oder zumindest während der bestehenden Auskunftssperre getätigten verdächtigen Auskunftsersuchen manifestiert haben könnte, bedarf es für die Annahme einer abstrakten Gefahr - entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin - nicht. Im Übrigen wäre insoweit jedenfalls die an dienstliche E-Mail-Adresse gerichtete anonyme "Bombendrohung" vom 9. September 2018 zu berücksichtigen. Auch wenn diese Drohung zunächst als Drohung gegen den Verlag verstanden werden kann, erscheint es angesichts des Umstands, dass sie nicht an eine allgemeine E-Mail-Adresse, sondern an diejenige des Antragstellers versandt wurde, jedenfalls nicht fernliegend, dass der Auslöser für die Drohung ein Artikel des Antragstellers war.
Schließlich stehen auch die vom Antragsgegner angeführte "sonstige Datenlage" sowie der Umstand, dass eine Übermittlungssperre gemäß § 41 Abs. 2 StVG nicht beantragt wurde, dem geltend gemachten Anspruch nicht entgegen. Aus den frei zugänglichen Daten ergibt sich zwar der Wohnort, jedoch gerade nicht die Anschrift des Antragstellers. Auf die Möglichkeit einer Halterabfrage kommt es nicht an, da dem Antragsteller ein Dienstwagen - auch zur privaten Nutzung - überlassen ist. Der Umstand, dass die Bearbeitung melderechtlicher Auskünfte im Falle einer Auskunftssperre für die Antragsgegnerin mit einem nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand verbunden ist, hat demgegenüber zurückzutreten.
c. Die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu treffende Regelung war allerdings dahingehend zu beschränken, dass die Verpflichtung über ein Hauptsacheverfahren nicht hinausgeht und insbesondere keinen weitergehenden Schutz bietet als ein vollständiges Obsiegen in der Hauptsache. Da der Anspruch kraft Gesetzes auf 2 Jahre befristet ist und danach ein erneuter Antrag und eine Überprüfung der Gefährdungslage stattzufinden hat, kann eine vorläufige Regelung keine weitergehenden Verpflichtungen begründen.
2. Auch ein Anordnungsgrund - die Eilbedürftigkeit des Verfahrens - liegt vor. Eine Entscheidung in der Hauptsache kann nicht rechtzeitig erlangt werden. Derzeit ist das Widerspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen, ein Klageverfahren würde voraussichtlich einen Zeitraum von mindestens einem Jahr in Anspruch nehmen. Aufgrund der als erheblich einzuschätzenden abstrakten Gefährdung erscheint eine Vorwegnahme der Hauptsache insoweit auch unter Berücksichtigung der melderechtlichen Belange gerechtfertigt. Dem steht nicht entgegen, die zuvor eingetragene Auskunftssperre zwischenzeitlich gelöscht wurde, so dass eine Auskunft in dieser Zeit ohne Weiteres möglich gewesen wäre, ohne dass sich hieraus - soweit ersichtlich - konkrete Gefährdungssituationen bzw. Bedrohungen ergeben haben. Die Gefahrenlage ist aber gerade dadurch gekennzeichnet, dass Gewalttaten regelmäßig nicht zuvor angekündigt oder angedroht werden, so dass aus dem Umstand, dass es weder zu Bedrohungen noch zu (verdächtigen) Anfragen zur Erteilung von Melderegisterauskünften gekommen ist, nicht darauf geschlossen werden kann, dass sich die für den Antragsteller bestehende abstrakte Gefahr nicht jederzeit realisieren kann. Auch der Umstand, dass der Antragsteller durch seine verspätete Antragstellung sowie die zunächst nicht ausreichende Begründung seines Antrags dazu beigetragen hat, dass zwischenzeitlich eine Meldesperre nicht eingetragen war, schließt eine Eilbedürftigkeit nicht aus. Insbesondere hat der Antragsteller die Eilbedürftigkeit nicht selbst verschuldet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 2 GKG.